Glossen

Kellers Banknote

1956, hundert Jahre nach Erscheinen der Novellensammlung Die Leute von Seldwyla, widerfuhr Keller die nicht über alle Zweifel erhabene Ehre, auf der 10-Franken-Note der Schweizerischen Nationalbank abgebildet zu werden, neben Henri Dufour (20.-) und allgemeinen Motiven wie Apfelernte (50.-), St. Martin (100.-), Jungbrunnen (500) und Totentanz (1000.-). Wer weiß noch davon? Die neueste (achte) Serie, seit 1995 im Umlauf, zeigt an Kellers Stelle Le Corbusier, auf der selteneren 1000-Franken-Note ist Kellers Zeitgenosse Jacob Burckhardt zu sehen.

kellernote

Als Vorlage für das Porträt diente eine 1887 von Karl Stauffer erstellte Radierung, die den ermüdet blickenden Dichter auf einem Stuhle sitzend zeigt und nicht Kellers ungeteiltes Lob genoss. Über das Zustandekommen des Bildes schreibt er am 9.6.1889 an seine Verehrerin Maria Knopf:

Staufer wollte meinen Kopf malen, um eine gründliche Radirung danach zu machen. Er malte ihn auch, kramte aber erst einen photographischen Apparat aus, um eine Reihe Aufnahmen von allen Seiten zu machen, um den Gegenstand sich von allen Seiten
einzuprägen. Nun mußte er aber während einer scheinbaren Pause, als er mich ruhen hieß, mich in der Erschöpfung auf dem Armensünderstuhl abgestohlen haben, wovon ich nichts merkte; denn diese gestohlene Aufnahme radirte er und nicht den Kopf, den er einer hiesigen Familie schenkte. Er hat es freilich auf meinen Vorhalt bei wenig Abzügen bewenden lassen, wie er sagt, und die Platte abgeschliffen. Die Arbeit ist freilich an sich gut, aber das Bild seiner Entstehung nach dumm.
(ZB: Ms. GK 78s Nr. 99)