Glossen

Meine Bücher

Oftmals fällt es mir wieder ein: dass ich über meine Bücher schreiben wollte. Eines nach dem andern aus dem Regal nehmen, darin blättern, ein paar Seiten lesen und nur, um mich zu erinnern, in einem oder auch mehreren Sätzen etwas zu diesem Buch festhalten, als eine Art Katalog, nicht zum Nachschlagen, sondern als unscheinbare Würdigung der oft über Jahre Vergessenen.

regalWie wichtig das doch wäre! – jetzt, wo all die Bücher ein so schlechtes, ja erbärmliches Leben führen, verfolgt und ausgerottet werden: nicht durch Ideologen und Fanatiker, sondern durch den puren Markt, dem niemand den Prozess machen kann. Rettet die Wale, rettet die Wälder, aber rettet mir doch – um des Himmels willen – auch meine Bücher!

Allen voran jene besonders gefährdeten, die in den Brockenstuben in besonderen Regalen stehen, mit der Warnung: "alte Schrift". Sie haben hundert und mehr Jahre überlebt, und man sieht ihnen das Alter an. Und doch fallen sie noch immer nicht aus dem Leim, wenn man sie öffnet. Sie haben so seltsame Titel wie Der Geschichte schweizerischer Eidgenossenschaft Erstes Buch, worauf dann erst, immer eingeleitet mit "von" oder "durch", der Autorname folgt: Durch Johannes Müller. Solche Hintanstellung braucht nicht falsche Bescheidenheit zu bedeuten. Sie kann, umgekehrt, sogar tüchtig ausgenutzt werden, indem sich nämlich, besonders bei Gelehrten, noch einiges an den Namen anhängen lässt, bis hin zu halben Lebensläufen:

Durch Johannes Müller, / Churfürtstl. Mainz. Hofrath und Bibliothecarius, Mitglied von der Academ. nüzl. Wissensch. zu Erfurt, von der Antiquitätengesellsch. in Cassel, von der patriotischen Gesellsch. zu Olten etc.

Durchwegs zurückhaltender waren die Dichter:

Gedichte von Gottfried Keller. (1846)

Nach vorne trat ihr Name erst, wenn er als Qualitätsmarke gelten konnte, vor allem bei späten Werksammlungen:

Gottfried Keller's Gesammelte Werke. (1883)

Wobei die ganz Großen sogar ihren Vornamen wegzulassen liebten:

Goethe's Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. (1828 ff.)

Solche Dinge sind es, die ich an den alten Büchern liebe. Kein Layouter hat sich an ihnen vergriffen, kein Umschlaggestalter sich ins Impressum gedrängt. Sie sind zeitlos alt.

Ihr größter Widerpart sind jene Handbuchziegelsteine, die um den Ruhm der Kurzlebigkeit wetteifern – allen voran meine Computerbücher, die Jahr für Jahr "upgedatet" werden müssen und sich bei keinem Trödler mehr entsorgen lassen. Ihnen verwandt ist die Legion von Biographien und Ratgebern, welche die Regale der Buchwarenhäuser füllt …

Dann halt vielleicht doch lieber in Wikis und Blogs sich entäußern und das Buch dem Buch vorbehalten.