Glossen

Wayne Thiebaud und die Moral

Wayne Thiebaud bei Beyeler in Riehen. Bin begeistert. Durchwegs. Vom Künstler, den ich nicht kannte, und von der Ausstellung.

Bis dann diese «Stuffed Toys» auftauchen. Genauer gesagt, die beigegebene kuratorische Anmerkung. Sie warnt das Publikum vor der Gefährlichkeit der dargestellten Stoffpuppen. Und wer's, wie ich, nicht begreift, bekommt den Wink mit dem QR-Code-Zaunpfahl. Ich kann mich nicht enthalten, den denkwürdigen Text hier ausführlich zu zitieren:

Wie viele von Wayne Thiebauds Motiven vermitteln auch die Stofftiere und Puppen in Stuffed Toys, 2004, auf den ersten Blick ein Gefühl von guter Laune, Friedfertigkeit und Freude. Die Farben sind kräftig und doch einladend; die Vorstellung von einem Kind, das in einem Spielwarenladen Stofftiere auswählt, ist vielen Menschen auf der ganzen Welt vertraut.

Bei näherer Betrachtung drängen sich jedoch Fragen auf. Während auf drei Regalbrettern bekannte Tiere zu sehen sind – unter anderem Häschen, ein Schwein und Teddybären –, gestaltet sich das Regalbrett unten rechts mysteriöser. Lösen diese Stofftiere beim Betrachten das gleiche Mass an Freude aus wie die anderen oder machen sie uns stutzig? Sie sind eindeutig weniger bunt als die anderen; manche sind sogar grau, und das in der Mitte ist schwarz.

Auch wenn wir die Intentionen des Künstlers nicht kennen, ist es wichtig, die Wirkung dieses Bildes und die Art und Weise, wie es wahrgenommen und rezipiert werden kann, auf den Prüfstand zu stellen.

Wenn sie auch nicht im Mittelpunkt von Stuffed Toys stehen, können die grauen und dunkleren Stofftiere für Schwarze Menschen und andere, die stereotype rassistische Bilder erkennen und sich dieser bewusst sind, problematisch sein. Manche werden sie als Darstellungen «fauler» Schwarzer Menschen lesen. Ihr benommener und verwirrter Blick unterscheidet sich von dem der anderen Stofftiere, die mitunter munter oder verspielt erscheinen.

Es existiert eine lange, erschreckende Geschichte der Darstellung Schwarzer Menschen als faul und affenähnlich, die jener in diesem Bild ähnelt. Die Stofftiere weisen die gleichen Merkmale auf, von denen auch das Blackfacing geprägt ist: die übertrieben wulstigen Lippen, das düstere Aussehen und der «faule» Gesichtsausdruck. Sie dienten dazu, das Menschsein Schwarzer Menschen zu verzerren und diese zu dehumanisieren.

[…]

Die hier aufgeführten Informationen wurden von der preisgekrönten Pädagogin, Künstlerin und Diversity-Trainerin Kanene Ayo Holder zusammengestellt.

Gott beschütze die Künstler* vor dem Eifer moralisierender Kunstpädagog:innen.