Nicht weniger wichtig als die wunderbaren literarischen Romane und Erzählungen der Schriftsteller sind wohl die Bücher, die sich mehr um reale Dinge wie die Erschaffung der Welt oder deren Geschichte zu kümmern scheinen.
Ein paar davon stehen auch in meinen Regalen, die einen mehr, die anderen weniger von mir konsultiert.
Allen voran natürlich das Buch der Bücher. Aber nicht das von den Theologen malträtierte mit den zehntausendundeins Querverweisen oder das zurechtkorrigierte Machwerk der orthographisch und politisch Korrekten, sondern den guten alten drastischen Luther: Biblia / das ist / die gantze Heilige Schrifft Deudsch von 1534, mit den wunderbaren Bildtafeln (faksimiliert bei Taschen. Da nämlich ist die Frau, die Eva, ein «Weib», und wird Männin genannt, weil sie aus der Rippe des Mannes gebaut ist. Logo! Wohingegen mir die allerneueste Zürcher Bibel weismachen will:
Diese soll Frau heissen, denn vom Mann ist sie genommen.
Hilfe! Nicht logo. So richtig funktionieren tut's wohl nur im Englischen:
This one shall be called woman, for from man was this one taken.
So steht es sogar bei dem Comics-Guru Crumb, der in seinem Book of die Genesis die drallsten Bildfiguren aus den Geschichten geformt hat. Männinnen, bei deren Anblick man begreift, wieso die Männer sich verführen ließen, und Männer, bei deren grimmiger Wucht man verstehen kann, wieso sie sich nahmen, was ihnen gefiel. Deshalb auf dem Umschlag die Warnung: «Adult supervision recommended for minors», während auf dem gleichen Umschlag geworben wird: «Nothing left out!»
Uns hingegen wurde das Neue Testament auferlegt, das den vorchristlichen Geschichten die Handfestigkeit austreiben wollte, aber trotz aller Bemühungen der Pfarrherren nur laues Interesse und wenig Phantasie in mir zu entfachen vermochte. Dabei ist es ja auch nicht immer ohne:
Ein Schwein, das sich gebadet hat, geht wieder in den Mistpfuhl.
stand im zweiten Brief des Petrus zu lesen, und gemeint waren die nachträglich wieder vom Glauben abgefallenen Gläubigen. So eiferte unser sich auf Zwingli berufendes Testamentchen, das wir Kinder zur Sonntagsschul-Weihnacht erhalten hatten und das jetzt auf meinem Regal neben dem großen Werk Luthers steht. Der hat sich das Wort auch nicht nehmen lassen:
Es ist jnen widderfaren das ware sprichwort / Der hund frisset widder was er gespeiet hat / und die saw waltzet sich nach der schwemme widder im kot.
Überhaupt werden die Säue, da sie keine Wiederkäuer sind (Mos. 3,11), schlecht behandelt in den heiligen Schriften und auch immer wieder zu ihrem Nachteil mit den Menschen verglichen, die ja in der Regel auch keine Wiederkäuer sind. So versteigt sich das Buch der Sprüche (11,22) zu dem verleumderischen Zweizeiler:
Wie ein Schwein mit einem goldenen Ring im Rüssel,
so ist eine schöne Frau ohne Geschmack.
Dass die Bibel soviel moralischen Wert auf den guten Geschmack legt, wie die neue Zürcher Bibel übersetzt, mag allerdings nicht wenig erstaunen. Die Luther-Bibel, die auf dem Nachttisch meiner Eltern lag, hat da anders übersetzt:
Ein schönes Weib ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem goldenen Haarband.
Nicht, dass mich die Säue besonders gereizt hätten, aber eine mit goldenem Haarband vielleicht schon (Geschmack hin oder her). Doch auch hier ist mir am liebsten der unzimperliche alte Luther:
Ein schon weib on zucht / ist wie eine saw mit einer güldnen spange auff der nasen.
Nachtrag 2023:
Natürlich darf man solche Texte heute kaum mehr zitieren. Ich tu's, aus Verpflichtung zur Geschichtstreue, wenn man so will, trotzdem.