Sonntag, 13. April 2004
Jetzt kommen auch noch Martin Heideggers Schwarze Hefte über uns und versetzen unserm Glauben an den «größten» Philosophen des 20. Jahrhunderts den endgültigen Todesstoß. Gesamtausgabe, Bd. 94, S. 111 («Aus der Zeit des Rektorats», 1933):
Die große Erfahrung und Beglückung, daß der Führer eine neue Wirklichkeit erweckt hat, die unserem Denken die rechte Bahn und Stoßkraft gibt. Sonst wäre es bei aller Gründlichkeit doch in sich verloren geblieben und hätte nur schwer zur Wirkung hingefunden.
Montag, 14. April 2014
Tatsächlich habe ich Heideggers Schwarze Hefte zum Geburtstag erhalten. Im voraus (was ja eigentlich nicht erlaubt ist). Aber wenn man so gespannt ist darauf … und dann die Spannung innerhalb einer Lektürestunde absackt auf annähernd Null …
Also: Ich habe mir verschrieben: täglich eine Portion Heidegger (zwei bis fünf «Überlegungen», «Anweisungen» oder «Winke», Reihenfolge egal), verdünnt mit etwas Wasser einnehmen, notfalls nachspülen. Durchhalten bis mindestens zum Eintritt meines Geburtstages.
Dienstag, 15. April 2014
Noch zwei Tage Heidegger. Mein Widerstand wächst. Kann man sich ein Buch zum Feind machen? – Bin ich denn der Einzige, der das Tamtam um diesen Mann nicht kapiert?
Heideggers Gesamtausgabe:
16 Bände Publiziertes
47 Bände Vorlesungen
39 Bände Vorträge, «Gedachtes»(!), «Hinweise und Aufzeichnungen»
Macht 102 (sprich: hundertundzwei) Bände.
Zum Vergleich: die Weimarer Goethe-Gesamtausgabe (der große Goethe!) brachte es inklusive Registerbände (die Briefe abgerechnet) auf 93 Bände, die Historisch-Kritische Gottfried Keller-Ausgabe auf 35 Bände (Vorlesungen, die ergiebigsten Buchfüller, haben meines Wissens weder Goethe noch Keller gehalten).
Mittwoch, 16. April 2014
Zweitletzter Tag mit Heidegger. Mein Verdacht verstärkt sich, dass der Mann ein neuer Nietzsche sein möchte. Mit robuster Gesundheit allerdings.
Heidegger als Zarathustra, kniend vor Hölderlin («das Höchste, was an Tiefstem im Schaffen der Wahrheit des Seyns erreicht werden kann», S. 346).
Die Besinnung auf die Wahrheit
des Seyns ist das erste Beziehen
des Postens der Wächterschaft
für die Stille des Vorbeigangs
des letzten Gottes.
(Eingangspoesie zu Überlegungen V, ausgedeutscht: «Winke, die Zugewunkenes weiterwinken»)
Donnerstag, 17. April 2014
Freitag, 18. April 2014
Karfreitag. — Kinderschreckenstag. Am Tage des Gekreuzigten durften wir (1) nicht umherrennen, (2) nicht lachen, (3) nicht die Eltern ärgern, (4) überhaupt nichts Unernstes tun. Der Karfreitag war zum Sterben vor Langeweile und Traurigkeit.