Freitag, 23. Mai 2014
Und es gibt sie doch, die Türme, die in den Himmel wachsen!
Der Roche Tower in Basel, von Herzog & de Meuron natürlich (wie der Messe-Riegel zur Linken). Mit 175 m und 41 Stockwerken soll er den Zürcher Prime Tower (126 m), der bisher den Schweizer Rekord hielt, schlagen: «Basel holt sich die Krone zurück» (Bilanz, 10.4.2014)
Es ist beruhigend, allmorgens mit dem Blick auf den Turm aufzuwachen und sich zu vergewissern: Sonne und Wolken wechseln, aber mein Turm wankt nicht.
Mittwoch, 28. Mai 2014
Das Taschenbuch von Tomi Ungerer, das ich im Antiquariat für eine fünfbändige Gottfried Keller-Ausgabe erhalten habe (21. Mai), war tatsächlich nicht so lustig, wie erwartet. Es wird sogar, in seiner lakonischen Art, von Seite zu Seite unheimlicher und enthüllt eine gewalttätige und am Ende auch trostlose Welt. Andauernd wird verletzt, getötet, gestorben bei Mensch wie Tier. Eine der düstersten Stellen: In tiefer Nacht erscheint eine Hundebande und versetzt die eingehagten Schafe in solche Panik, dass sie ausbrechen und von den Hunden ungebracht werden oder fliehend im Meer ertrinken. Der eigene Hund, der bisher zu den Schafen schaute, hat sich der Bande angeschlossen (SS-Terror unter den Tieren).
Vollständig ausgetrieben wird die Hoffnung aber erst mit dem Einzug des Banalen in dem kleinen kanadischen Ort Gull Harbor:
Wir haben zehn Jahre lang den langsamen Todeskampf dieses Ortes beobachtet, der zweifellos wirtschaftlich bald wiedergeboren wird, ein Wahrzeichen der Mediokratie.
Heute hier, morgen fort (1988), aus dem Amerikanischen (Here today, gone tomorrow, 1983).
Freitag, 30. Mai 2014
SNF. — Mehrere Tage verbraten mit den Stolpersteinen, die der Schweizerische Nationalfonds (SNF) allen Editoren, die von ihrer Sache überzeugt sind und einen Funken Kreativität mit sich bringen, vor die Beine wirft. Die Netztauglichkeit der Arbeit steht über deren Qualität, gefördert wird nicht Fachwissen, sondern digitale Hörigkeit. «Open access», so plausibel das Schlagwort klingen mag, ist längst zum Unwort der Wissenschaftsförderung verkommen.
Dienstag, 3. Juni 2014
Tiefgefroren und durchgerüttelt. — Die Juni-Ausgabe des NZZ-Folios entdeckt die «Revolution im Totenreich»: die umweltgerechte Kompostierbarkeit des menschlichen Leichnams. Ernsthaft. Patent-Inhaberin ist die schwedische Biologin Susanne Wiigh-Mäsak.
Der Tote wird in einem Promator auf minus 18 Grad Celsius herungergekühlt und anschliessend bei einer Temperatur von minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff schockgefroren. Nun ist der Leichnam brüchig wie Glas. Schallwellen in einer Vibrationskammer lassen ihn in eine grobe, geruchsfreie Substanz zerfallen. In einer Vakuumkammer wird dieser Substanz die Flüssigkeit entzogen, bevor im letzten Schritt ein Metallseparator sämtliche Fremdkörper wie Zahngold, künstliche Gelenke und Herzschrittmacher entfernt. Von einem 75 Kilogramm schweren Menschen bleiben rund 25 Kilogramm graurosa Granulat übrig, rein organisches Material. Das wird in eine kompostierbare Kiste aus Maisstärke gebettet und in nur 35 Zentimetern Tiefe vergraben. Sechs bis zwölf Monate später ist der Verstorbene komplett zu Erde geworden.
(NZZ Folio, Juni 2014, S. 31)
Bis heute morgen war ich, mit meiner Fäulnis- und Erstickungsphobie, bedingungslos für die Kremation. Und jetzt?
Freitag, 6. Juni 2014
Sollte ich nicht besser Englisch lernen – Grundwortschatz, Aufbauwortschatz, Konversationsfloskeln in einundvierzig Themenbereichen –, sollte ich nicht Englisch lernen und/bzw. das Gerlernte und Verlernte «updaten», um mich zwischen all den Open Excessen, Advanced Studies, Calls, News- und Chatrooms zurechtzufinden? Sollte ich nicht besser Englisch lernen, als in Vergangenheiten rumzugrübeln, über Gegenwärtigkeiten zu meckern und mich vor Zukünften zu bekreuzigen? – Einmal versuchte ich's mit Chinesisch, wegen der Zeichen, die wie verwunschene Suchbilder über dem Verlauteten kucken. Das hätte mich verlocken und festigen mögen gegen die wuchernde Flachspeederei. Ich hab's nicht geschafft, leider nicht. Muss ich nun Englisch lernen?
Pfingstsonntag, 8. Juni 2014
Heißeste Pfingsten seit 1945. Wenn das nicht der Wapfigei ist, was dann?
(Wapfigei = wahrer Pfingstgeist, aus dem Munde eines Pfarrers und Psychoanalytikers).