Montag, 9. Juni 2014
Unwörter sammeln: Kompetenzzentrum, Nachhaltigkeit, Zeitfenster, Module, Technologietransfer, Exzellenz (...-Initiative, …-Cluster, …-Uni), Förderungsinstrumente …
Ab nach Berlin! Die Aufdinglichkeit der einzelnen Undinge im unübersichtlichen Gesamtschwall ertränken.
Dienstag, 10. Juni 2014
Bertold Brecht, wartend auf das Ende der Umbruchszeit (Vorplatz Berliner Ensemble)
Mittwoch, 11. Juni 2014
Gropius-Bau. Ai Weiwei (offizielle Pinyin-Schreibweise für 艾未未). — Alle Deutschsprachigen sagen: Ai Waiwai. Weil ein "ei" nun mal ein "ai" sein soll. Wie sie auch Baierle sagen und "Beyeler" (die Fondation in Basel) meinen.
Viele sagen auch: Es reicht mir mit dem Ai Waiwai-Getue. Auch ich sage gerne solche Sätze, manchmal, wenn ich bei mir selbst beschließe, dass es mir reicht. Man kann aber solche Beschlüsse, die ja kein Vertrag sind, auch lockern.
Wenn man eintritt in den Bau, und die Fahrräder hangen herunter von der Kuppel in einer Endlos-Spirale, nigelnagelneu und silberblank und man denkt: Ästhetik pur (doch es gibt ja, wie ich selber erlebt, keine Fahrräder mehr in Peking!) – wenn dann die fantastische Halle sich auftut mit den Wandelgängen, und da stehen die Hocker (Stools), bei Tausenden, und alle gleich und jeder doch ein bisschen anders und einige sehr anders sogar, und schon die Beine, auf denen sie stehen, sind jedem eigen und anders, und die riesige Oberfläche ist nicht glatt ist, wie man zuerst glaubt, sondern wellend lebendig, so dass ein Stein, auf die Fläche geworfen, einmal so und einmal so aufsspringen und plötzlich zwischen den Stühlen versinken müsste – wenn dann dem so ist, sind die Vorbehalte fast dahin (wohin?), und man ist willens, weiter zu gehen und einzugestehen, dass jedes Ding bei diesem Mann eine Welt wird, die sich gegen Welten stellt.
Freitag, 13. Juni 2014
WM Public Viewing. — Spanien gegen die Niederlande. Übertragung in der Berliner Emaus-Kirche. Mit begleitendem Orgelspiel statt Reporterkommentaren. Tolle Idee. Wenn die Spanier schon verlieren, kann man wenigstens dem Organisten applaudieren. (Ich bin übrigens fast der einzige im Raum, der sich vorgenommen hat, mit Spanien zu sympathisieren. Die Deutschen bevorzugen die lustigen Holländer, obwohl diese ziemlich brutal drauf los dreschen).
Freitag, 20. Juni 2014
Kunstmesse Basel: Art Unlimited. — Große, sehr große Objekte, Installationen, Projektionen. Man irrt dazwischen herum, interessiert, interessiert sein wollend, gelangweilt, sich wieder und wieder aufrapelnd, und schließlich am Ende der Kräfte, so dass nichts mehr die selektierenden Filter der Wahrnehmung zu durchdringen vermag. Dann manchmal, so ganz en passant oder auch nicht, fragt man, ob man sich fragen darf, was das ganze Riesending eigentlich soll.
20'000 Gun Shells
Ein Gang über 20'000 Patronenhülsen (oder ein paar Hundert davon), auf den Boden geschüttet von einem norwegischen Allround-Künstler namens Matias Faldbakken. Das kann ich im normalen Leben nicht. Dieses Geschenk schenkt mir die Kunst. Ich habe mir eine der Hülsen aufgelesen und eingesteckt. Niemand hat eingegriffen. Ich denke mir, dass eine ganze Menge Leute sich eine Hülse angeeignet hat. Vielleicht sind es jetzt nur noch 19'933 Stück. Oder 19'932. Tut das dem Kunstwerk weh? Oder müsste man viel vehementer zugreifen? Saaltext-Kommentar: «The content ist taken away and the container becomes the content.»
Sonntag, 22. Juni 2014
Vorankündigung. — Natürlich sollte ich für das Basler Tattoo – genau so wie für Weihnachten, Fasnacht und Ostern – einen Countdown-Zähler anlegen. Am 18. Juli beginnt nämlich hier das «das zweitgrößte Open Air Tattoo der Welt und präsentiert zum neunten Mal eine fantastische Show vor der historischen Kulisse der Kaserne Basel». Rund 120'000 Besucher werden vom Veranstalter erwartet. Zehn Tage lang Trompeten, Trommeln und Dudelsack. Und es wird kein Entrinnen geben für uns Um- und Anwohnende. Mitgewohnt, mitgefangen. Es sei denn, wir flüchten, wie jedes Jahr, aus der Stadt. Zwangsferien wie an Fasnacht. Die Basler Eventkultur hat den großen Vorteil, dass sie von sich aus und unentgeltlich die Ferientermine für alle Event-Muffel regelt.