Tagebuch 2017
Dienstag, 24. Oktober 2017
Buchhandlungen? – Wieso soll ich weiterhin für Buchhandlungen eintreten, in denen ich – zum Beispiel – keinen Flaubert, keinen Proust, keinen Joyce, ja nicht einmal einen anständigen Gottfried Keller finde, dagegen meterweise Bestseller, Tonnen von Lebensberatern, Reisebeschreibungen für jede Ecke der Welt, Sechshunderseitenromane, Biographien, Kochbücher undwasweissichwasallesnochmehr. Ich trete ein voll guter Hoffnung und komme raus wie ein durchgewalkter Pudel. Nichts gefunden, tut mir leid! Absolut nichts. Will keine Kundenkarte, brauche kein Bestellkonto. Nur Luft, frische Luft!
Mittwoch, 25. Oktober 2017
Also gehe ich dorthin, wo ich von Anfang an hätte hingehen sollen: in die gute alte Bibliothek, wo's fast alles gibt, was mein Herz zu begehren glaubt. Sogar mehrere Übersetzungen von Flauberts Dictionnaire des idées reçues, oder seiner Sottiserien, die ich mir jetzt, nach Jahrzehnten der Ignoranz, einmal ansehen will, weil ich keinen Schimmer davon habe und weil Julian Barnes mir diesbezüglich das Gelbe vom Ei und ein eigenes Nachwort versprochen hat.
(Das klingt jetzt so, als ob ich, wenn kein Flauber-Kenner, so doch ein Julian Barnes-Fan oder doch zumindest ein versierter Literatur- und Literatur-über-Literatur-Kenner wäre, was ich aber keinesfalls und mit zunehmendem Alter immer weniger bin (Klammer in der Klammer: Ob es andern wohl auch so geht, dass mit wachsender Altersreife die «Lebenserfahrung» nicht zu-, sondern vielmehr abzunehmen scheint?). Nein: Julian Barnes' Buch über Flauberts Papagei hat mir eine betagte Wienerin geschenkt, auf die meine obige Beobachtung von der schwindenden Lebenserfahrung nicht zutrifft. Schweren Gelenkes, aber geistig mehr als wendig, hat sie aus einem Bücherstapel ihrer Bücherwohung diesen Barns hervorgekramt und mir mit «auf den Weg» gegeben. Und "dieser" Barns hat mir dann solange den Flaubert aufgezwungen, bis ich glaubte, ohne dessen "Wörterbuch" nicht mehr auszukommen, so dass ich jetzt also von der Buchhandlung direkt in die Bibliothek renne.)
Der digitalisierte Bibliotheksverbund will partout, dass ich das Buch in der Schweizerischen Nationalbibliothek bestelle, was ich auch befolge, da ich mich sowieso gerne in Bern tummle. Nur leider: nach einer Woche ist das Buch noch immer nicht da, weil es nämlich aus den Bibliotheksregalen spurlos verschwunden ist. Flauberts Gemeinplätze – auf und davon! Vielleicht ist das nun der Beginn der lange befürchteten Buchrevolte, die die irdischen Leseparadiese als ein Wüstensturm überziehen wird. Und nichts mehr wird übrig bleiben als staubiger Sand und, inmitten, Flauberts krächzender Papagei.
Mittwoch, 13. Dezember 2017
Basler Möwen ambulant
Samstag, 16. Dezember 2017
NZZ. – Warum? frag ich mich jedesmal, warum hab ich die alte Tante noch immer abonniert? Warum lass ich mich jedesmal wieder von Meinungsmachern wie zum Beispiel (nur zum Beispiel) so einem Eric Guyer (stelle mir vor: krawattierter Tarzan kämpft gegen ein Heer von ignoranten Dinosauriern) in Rage versetzen? Warum bloss? Jedesmal, wirklich jedesmal werde ich es mir überlegen müssen.
Sonntag, 17. Dezember 2017
Die halbe letzte Nacht habe ich gegen Wikipedia angeträumt. Wikipedia war ein stolzes Schiff, das sich aufbäumte wie ein Löwe. Am Bug aber, hoch über mir, stand der Kapitän und rief in ein ehernes Horn: Land ahoi! Dagegen gab's nichts einzuwenden.
Mein Lehrer selig vermerkte dazu, mit blauem Stift, am Rand: Sowas träumt man nicht! Vielleicht hatte er recht.